FiDA-Roundtable: „Unlocking Financial Data“ – Use Cases als Schlüssel zur erfolgreichen Datenökonomie
Written
May 13, 2025
Author
Dr. Andre Gärisch

Die FiDA-Roundtable-Serie „Unlocking Financial Data“, organisiert von der Deutschen Bank in Zusammenarbeit mit dem TechQuartier, stellt die Frage: Wie lassen sich Finanzdaten vor dem Hintergrund der neuen FiDA-Verordnung der EU effizient, sicher und wertschöpfend nutzen? Expert:innen diskutieren dabei regulatorische Anforderungen, technologische Entwicklungen und innovative Geschäftsmodelle. Beim Event am 28. April lag der Fokus auf Use Cases rund um FiDA.
Das Thema FiDA ist aktueller denn je: Mit dem Start der Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat im April ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur FiDA-Verordnung getan. Durch diese wird der Zugang zu Finanzdaten neu gestaltet und deutlich erleichtert – über klassische Bankdaten hinaus. Die zentrale Herausforderung besteht darin, aus einem regulatorischen Rahmen eine wirtschaftlich tragfähige Datenökonomie zu formen. Im Mittelpunkt des jüngsten FiDA-Roundtables stand daher die Frage, welche Use Cases mit FiDA denkbar sind.
Durch Use Cases Vorbehalte abbauen: In vielen Führungsetagen besteht weiterhin Skepsis gegenüber FiDA, da der konkrete Marktbedarf angezweifelt wird. Umso wichtiger sind überzeugende Use Cases, die den praktischen Mehrwert greifbar machen. Besonders in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz lassen sich Anwendungen entwickeln, die neue Potenziale aufzeigen.
Open Banking als Lernfeld, aber FiDA-Vorteile nutzen: Erfahrungen aus dem Open Banking liefern eine wertvolle Grundlage zum besseren Verständnis von Prozessen und Anwendungsfällen. FiDA geht jedoch einen Schritt weiter: Es umfasst ein deutlich breiteres Datenspektrum und fördert internationale Kooperationen und Lösungen. Es darf also groß gedacht werden.
Daten als Treiber für personalisierte Services: Die Aggregation verschiedener Datenquellen ermöglicht maßgeschneiderte Services für Bank- und Versicherungskund:innen. Dies kann von individuell zugeschnittenen Finanzplänen bis hin zu spezifischen Versicherungsprodukten reichen, die sich dynamisch an die Bedürfnisse und das Verhalten der Kund:innen anpassen.
FAME-Impuls: Ein technisches Fundament für die Datenökonomie der Zukunft

Als erster Speaker präsentierte etonec-CEO Marcus Nasarek mit FAME womöglich einen der spannendsten Bausteine für die datengetriebene Finanzwelt von morgen. Die Open-Source-Plattform versteht sich als föderierter Datenmarktplatz für Embedded Finance – und als Enabler für künftige FiDA-Schemes. „FAME ist ein europäisches Infrastrukturprojekt mit dem Ziel, einen sicheren, wirtschaftlich tragfähigen Austausch authentischer Daten zu ermöglichen“, so Nasarek. Die Plattform bringt zertifizierte Datenanbieter und -nutzer zusammen, automatisiert Zahlungs- und Compliance-Prozesse und senkt durch Standardisierung und Interoperabilität signifikant die Integrationskosten.
Eine tragende Säule von FAME ist ein dynamisches Preismodell, das sich an Faktoren wie Datenqualität, Nutzungsdauer oder Sensitivität orientiert. „Dieses Modell wurde erst vor wenigen Wochen finalisiert“, berichtete Nasarek. Neben der Echtzeit-Bepreisung bietet FAME auch adaptive Identitätsverwaltung, Datenschutz gemäß europäischem Standard sowie Funktionen zur rechtssicheren Monetarisierung mittels Blockchain.
Die Plattform wird im Rahmen des Horizon-Europe-Programms der EU gefördert und befindet sich in einer frühen Pilotphase mit sieben realen Anwendungsfällen. Nasarek unterstrich die Offenheit des Projekts: „Wir laden Banken, Fintechs, Versicherer und Institutionen ein, Teil dieses Ökosystems zu werden und das Potenzial von FiDA auszutesten. Wer verstehen möchte, wie datengetriebene Wertschöpfung in Europa konkret aussehen kann, ist bei uns genau richtig.“
Visa & Tink: FiDA zwischen Fortschritt und Fragezeichen

Im zweiten Vortrag gab Alex Tompkins, Senior EU Policy Manager bei Visa, Einblicke in die Perspektiven und Herausforderungen rund um FiDA – aus Sicht von Visa und seiner Open-Banking-Tochter Tink. Die Plattform, die in Europa bereits umfassend im Einsatz ist, bietet über APIs Zugang zu Bankdaten, Kontoinformationen und Zahlungsauslösediensten.
„FiDA ist eine echte Weiterentwicklung gegenüber Open Banking und setzt neue Maßstäbe beim Zugang zu Finanzdaten – etwa durch die Ausweitung auf Hypotheken, Investments, Versicherungen und Renten“, erklärte Tompkins. „Wir beteiligen uns aktiv an der Debatte über praktikable, marktgerechte Lösungen.“ Als wichtig betrachte er die Schaffung eines klaren Rahmens für neue Akteure wie Financial Information Service Providers sowie die Stärkung des Verbrauchervertrauens in den Datenaustausch.
Ein zentrales Anliegen von Visa und Tink im Kontext von FiDA ist die präzise Definition des Anwendungsbereichs: Welche Daten sollen zugänglich sein, welche sollen schrittweise einbezogen werden und welche bleiben ausgeschlossen. Beim Datenzugang forderte Tompkins eine Balance zwischen Echtzeitverfügbarkeit und Sicherheit: „Ohne belastbare Qualitätsstandards drohen fehlerhafte oder unvollständige Informationen.“ Außerdem wünsche er sich marktorientierte Vergütungsmodelle, um den Anreiz für alle Beteiligten zu erhöhen, im entstehenden Ökosystem mitzumischen.
additiv: Moderne Finanzservices mit intelligenter Modularität

„additiv ist ein Fintech, das mit seiner modularen, cloudbasierten Plattform Finanzdienstleistungen effizient von Front- bis Backoffice orchestriert. Wir treiben die Digitalisierung im Finanzsektor voran, indem wir einen einfachen Zugang zu Daten und Dienstleistungen ermöglichen.“ So brachte Alexander Grigorean, Marketing Head Deutschland bei additiv, das Geschäftsmodell seines Unternehmens auf den Punkt. Mit über 250 Mitarbeitenden in sieben Ländern betreut additiv namhafte Kunden wie Zürich, AXA und NatWest.
Als Use Case hervorzuheben ist die „DBS NAV Planner“-Lösung in Singapur, die den Kund:innen eine personalisierte Übersicht ihrer Finanzen bereitstellt, einschließlich Sparguthaben, Krediten, Versicherungen, Investitionen und individueller Empfehlungen. „Open Finance ist in Singapur seit 2020 stark vorangeschritten – Banken setzen dort auf verbesserte Nutzererlebnisse und innovative digitale Services“, erklärte Grigorean.
Abschließend betonte er, dass die Verzahnung von Self-Service und persönlicher Beratung großes Potenzial für den deutschen Markt biete: „FiDA kann die Beratungsqualität verbessern und gleichzeitig den Aufwand für Berater:innen reduzieren.“ Diese Kombination ermögliche es den Kund:innen, einen einfachen Überblick über relevante Ereignisse und Optionen zu behalten, während sich die Berater:innen auf komplexere Fragestellungen konzentrieren können.
Interaktive Ideenentwicklung: Mehrwerte und Use Cases rund um FiDA

In lebendigen Brainstorming-Sessions drehten sich die Diskussionen um mögliche Use Cases – zunächst für Privatkund:innen. Bei personalisierten Lösungen wurden Cross-Asset-Empfehlungen und dynamische Sparpläne für aussichtsreich befunden. Ein Teilnehmer betonte: „Bei der Altersvorsorge gibt es noch viel Potenzial für Verbesserung – das könnte ein idealer Einstiegspunkt für weitergehende Services sein.“
Beim Trendthema Behavioral Banking warf die Gruppe einen Blick auf eine südafrikanische Bank, die als Pionierin in diesem Bereich gilt. Die Discovery Bank verknüpft klassisches Banking mit Verhaltensanalysen, um ihre Kund:innen zu besseren finanziellen Handlungen zu motivieren – etwa durch Belohnungen für verantwortungsvolles Ausgabeverhalten. Das Konzept basiert auf dem „Shared-Value“-Ansatz: Wenn Kund:innen finanziell gesünder agieren, profitiert auch die Bank langfristig.
KMUs sind häufig mit unstrukturierten Prozessen und fehlender Standardisierung konfrontiert – daher lag hier der Fokus der Use Cases auf Effizienzsteigerung. Ideen wie Treasury-as-a-Service wurden diskutiert – ein Ansatz, der es Unternehmen ermöglicht, ihre Finanzfunktionen zu optimieren, ohne die hohen Kosten für eine eigene Treasury-Abteilung tragen zu müssen. Auch ein automatisiertes Fördermittelmanagement wurde ins Spiel gebracht. Insgesamt zeigte die Session, dass FiDA definitiv als Katalysator für ein neues, kundenorientiertes Finanzökosystem dienen kann.
Drei Fragen an: Nicola Breyer, Open-Finance-Expertin & Moderatorin des FiDA-Events

Nicola, was war für dich heute das Highlight?
Es war ermutigend zu sehen, wie viele Expert:innen sich intensiv mit Datenökosystemen und Datenzugang auseinandersetzen. Dass es inzwischen praxisnahe Anwendungen gibt, ist ein starkes Signal. Besonders spannend fand ich die Vorstellung von FAME – ein vielversprechendes Konzept, auch wenn hier noch einige Fragen offen sind.
Der Name FAME klingt fast ein bisschen boulevardesk. Wie wichtig findest du die Namensgebung bei Use Cases oder Start-ups im Finanzdatenbereich?
Namen wie FAME sind Abkürzungen, an die wir gewöhnt sind. Viel wichtiger ist für mich, ob ein Projekt praxistauglich ist – und nicht nur in der Theorie gut klingt. Bei der Bezeichnung „Open Finance“ sehe ich allerdings durchaus Verbesserungsbedarf: Für viele wirkt „Open“ zu offen, zu ungeschützt – da kommt schnell die Frage auf: „Wer darf eigentlich auf die Daten zugreifen und profitieren?“ Vielleicht wäre es sinnvoller, einen Begriff zu wählen, der klarer vermittelt, worum es wirklich geht – nämlich um eine paneuropäische, regulierte Datenplattform für Finanzdaten. Das würde helfen, Missverständnisse abzubauen und Vertrauen zu schaffen.
Wie können Kund:innen noch besser von den Vorteilen überzeugt werden, die durch FiDA entstehen?
Wir müssen anerkennen, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung heute digital denkt und handelt – gerade jüngere Menschen erwarten KI-gestützte, nahtlose Services. Vor diesem Hintergrund kommt es beim sensiblen Thema Daten vor allem auf zwei Aspekte an: Sicherheit und Vertrauen müssen deutlich hervorgehoben werden – ebenso wie der konkrete Mehrwert. Es reicht nicht, nur über technische Möglichkeiten zu sprechen – wir müssen echte Relevanz schaffen. Wer den Nutzen spürt, etwa durch Zeitersparnis oder personalisierte Angebote, wird letztlich bereit sein, für neue Services zu zahlen.
Drei Fragen an: Joris Hensen, Founder und des Deutsche Bank API-Programms und Initiator der Round-Table-Serie „Unlocking Financial Data“
Joris, was ist dein Fazit des heutigen Tages?
Mein Fazit fällt positiv aus. Besonders gut fand ich, dass wir heute nicht nur über Use Cases für Privatkund:innen gesprochen haben, sondern auch Geschäftskunden unterschiedlicher Größen in den Blick genommen haben. Im Privatkundenbereich hat sich gezeigt, dass es stark um Automatisierung geht. Wir verfügen hier bereits über viele Daten, etwa aus dem Zahlungsverkehr. Die eigentliche Innovation wird darin liegen, diese Daten mithilfe von KI sinnvoll zu verknüpfen. Bei den Geschäftskunden hingegen steht vor allem die Entlastung im Arbeitsalltag im Fokus – zum Beispiel bei Reportings oder dem Jahresabschluss.
Glaubst du, wir müssten stärker „out of the box“ denken, um durchschlagende Ideen zu entwickeln, oder sind wir mit den heutigen Use Cases schon auf einem guten Weg?
Ich glaube, am Ende wird die Masse an Ideen den Unterschied machen. Sicherlich werden auch sehr spezielle Ansätze dabei sein – und durch weitere Gespräche mit Kund:innen können wir zusätzliche Ideen erschließen. Der erste Eindruck heute war aber auf jeden Fall schon vielversprechend. Eine spannende Frage wird auch sein, wie die Schemes in den verschiedenen Ländern und Regionen aufgebaut sein werden. Vielleicht ergibt sich ein paneuropäisches Modell, das als Grundlage für neue Geschäftsmodelle fungieren kann. Wir sind gefragt, vom Kleinen ins Große zu denken.
Was denkst du, wohin sich das Thema FiDA entwickeln wird in den nächsten Monaten?
Das hängt unter anderem davon ab, wie der Trilog voranschreitet. Je mehr im Rahmen der Verhandlungen beschlossen wird, desto mehr Klarheit entsteht für die Akteure der Branche. Für den vierten Roundtable haben wir uns deshalb vorgenommen, noch tiefer ins Thema einzutauchen. Denn viele Unternehmen, die FiDA umsetzen sollen, möchten wissen: Was bringt uns das ganz konkret? Genau hier wollen wir ansetzen – und aufzeigen, welche praktischen Vorteile FiDA Banken und Versicherungen bietet.