FiDA-Roundtable: „Unlocking Financial Data“ – Szenarien und Use Cases für erfolgreiche Entscheidungen in einer datengetriebenen Zukunft
Written
Jul 15, 2025
Author
Dr. Andre Gärisch

Foto: Joris Hensen, Gründer und Co-Leiter des API-Programms der Deutschen Bank
Die FiDA-Roundtable-Serie „Unlocking Financial Data“, organisiert von der Deutschen Bank in Zusammenarbeit mit dem TechQuartier, stellt die Frage: Wie lassen sich Finanzdaten vor dem Hintergrund der neuen FiDA-Verordnung der EU effizient, sicher und wertschöpfend nutzen? Expert:innen diskutieren dabei regulatorische Anforderungen, technologische Entwicklungen und innovative Geschäftsmodelle. Beim Event am 1. Juli lag der Fokus auf Zukunftsszenarien und aussichtsreichen Use Cases rund um FiDA.
Wenn aktuell über FiDA gesprochen wird, stehen meist die regulatorischen Rahmenbedingungen und technologischen Herausforderungen im Fokus. Dabei ist es besonders wichtig, frühzeitig eine strategische Perspektive einzunehmen, denn genau dieser Blickwinkel regt zum Handeln an: weg von der reinen Pflichterfüllung, hin zu greifbaren Chancen und Umsatzpotenzialen durch neue Services. Wie vielfältig die Möglichkeiten für innovative Produkte und Anwendungen im Kontext von FiDA tatsächlich sind, wurde heute eindrucksvoll deutlich.
Zu Beginn stellte Silke Finken, Professorin für Innovationsmanagement an der International School of Management in München, ihre Studie zu FiDA Use Cases vor. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Bedürfnisse Konsument:innen im Hinblick auf Finanzanwendungen haben und inwiefern diese durch FiDA künftig besser adressiert werden können. Im Anschluss präsentierte Joris Hensen, Gründer und Co-Leiter des API-Programms der Deutschen Bank, vier mögliche FiDA-Szenarien für das Jahr 2030. Diese regten zu einer intensiven Diskussion unter den Teilnehmenden an. Im Zentrum standen Fragen wie: Welches Szenario erscheint am wahrscheinlichsten? Welches wäre wünschenswert? Und welche Chancen bieten die jeweiligen Entwicklungen für Finanzdienstleister und Kund:innen? Neben Joris Hensen moderierte Nicola Breyer, Expertin im Bereich Open Finance, die Veranstaltung.

Einen Vorgeschmack bieten diese drei Insights:
Vielfältige Use Cases mit hohem Potenzial: Die Bandbreite möglicher FiDA Use Cases ist eindrucksvoll. Besonders gefragt sind Anwendungen wie die Bündelung aller Konten auf einer Plattform, eine klare Darstellung offener Zahlungen sowie die automatisierte Aufbereitung steuerrelevanter Dokumente. Diese Use Cases zeigen: FiDA kann konkrete Alltagsprobleme lösen und echten Mehrwert schaffen.
Gen Z – Finanzbegleitung statt Fachchinesisch: Die junge Generation hat ein ambivalentes Verhältnis zu Geld: Es ist emotional aufgeladen und oft von Unsicherheit geprägt. Für Anbieter ergibt sich daraus ein klarer Handlungsauftrag – nämlich Services zu entwickeln, die Orientierung bieten und emotionale Barrieren abbauen. Ein besonders naheliegender Use Case: ein digitaler Finanzcoach, der mit personalisierten Budgetvorschlägen und konkreten Sparpotenzialen individuell unterstützt.
Herausforderung für traditionelle Banken: Traditionelle Banken gelten nicht als Vorreiter in Sachen Innovation. Im Kontext von FiDA und angesichts agiler Wettbewerber laufen sie Gefahr, im Rennen um die beste User Experience und echte Kundenorientierung ins Hintertreffen zu geraten. Doch wer Offenheit als Chance begreift, kann nicht nur den Anschluss halten, sondern sich auch als attraktiver Arbeitgeber für Tech-Talente positionieren.
IMS-Studie: FiDA Use Cases – von Pain Points zu Potenzialen
Den Auftakt machte Silke Finken mit der Vorstellung einer aktuellen Studie zu FiDA Use Cases, die sie an der International School of Management in München gemeinsam mit Studierenden durchgeführt hat. Die Untersuchung basiert auf 89 qualitativen Interviews sowie einer ergänzenden Online-Umfrage. Die Teilnehmenden waren zu fast gleichen Teilen Frauen und Männer, im Durchschnitt 31 Jahre alt und überwiegend in Deutschland ansässig.
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Knapp über die Hälfte der Befragten wäre bereit, ihre Finanzdaten mit weiteren Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche zu teilen – sofern sie im Gegenzug von einem höheren Komfort bei der Finanzverwaltung profitieren. Dieses Motiv wurde am häufigsten genannt, dicht gefolgt von dem Wunsch nach personalisierten Empfehlungen, den 44 Prozent der Teilnehmenden als besonders wichtig einstuften. „Dass der Wunsch nach maßgeschneiderten Services so deutlich zum Ausdruck kommt, ist eine positive Botschaft für das FiDA-Ökosystem“, betonte Finken. „Denn persönliche Daten sind hier der Schlüssel zu echtem Mehrwert.“
Bei der Bewertung konkreter Use Cases war das Interesse an einem Gesamtüberblick über alle Konten und Finanzbewegungen am größten, gefolgt von automatisierter Unterstützung bei Steuerangelegenheiten und der Anzeige offener Zahlungen. Weniger relevant empfanden die Teilnehmenden klassische Investment-Features: 23 Prozent stuften personalisierte Investmentanalysen als „sehr relevant“ ein und 34 Prozent als „eher relevant“. Vermutlich haben viele der eher jungen Befragten (noch) wenig Berührungspunkte mit dem Thema Kapitalanlage. Etwas höher im Kurs stand das Abo-Management: Ob Probe-Abos für Artikel oder laufende Streaming-Dienste – knapp über 60 Prozent bewerteten ein zentrales Abo-Dashboard als mindestens „eher relevant“.
Ergänzend gab Finken Einblicke aus den qualitativen Interviews der Studierenden, etwa auf die Frage: „Wenn Geld ein Freund wäre – wie wäre eure Beziehung?“ Die Antworten reichten von „respektvoll“ über „kompliziert“ bis hin zu „wie Engel und Teufel auf den Schultern“.
„Gerade bei der Gen Z ist das Verhältnis zu Geld stark emotional geprägt – es ist wichtig, aber viele fühlen sich im Umgang damit überfordert“, erkannte Finken. Ihr Appell an Finanzdienstleister: diese emotionale Dimension ernst nehmen. „Wer es schafft, Vertrauen aufzubauen, intuitive Interfaces zu gestalten und praktische Unterstützung im Alltag zu bieten, kann für die junge Generation mehr sein als ein Anbieter – nämlich ein echter Begleiter.“
Deutsche-Bank-Impuls: Wohin geht die Reise? Vier FiDA-Szenarien für 2030
Joris Hensen entführte die Teilnehmenden anschließend auf eine gedankliche Reise in die Zukunft und präsentierte vier Szenarien, die das mögliche Entwicklungsspektrum von FiDA bis zum Jahr 2030 abbilden. Das erste Szenario, „Fragmented Compliance“, beschreibt einen Zustand minimaler Bemühungen: Banken erfüllen die Anforderungen von FiDA lediglich aus regulatorischer Pflicht heraus, ohne strategische Ambitionen. Nationale Systeme driften auseinander, ein einheitlicher Markt rückt in weite Ferne. „In diesem Fall hätten wir es mit einer Umgebung zu tun, in der Innovation nur schwer möglich ist. Für Drittanbieter wäre es extrem komplex, neue Produkte zu entwickeln“, mahnte Hensen.
Im Szenario „Local Innovation Islands“ öffnen sich einzelne Märkte für neue Ideen – lokale Systeme ermöglichen zwar Innovation, stehen jedoch einer europaweiten Skalierung im Weg. Beim Szenario „Harmonized Standards“ sorgen einheitliche Regeln und Schnittstellen für effiziente Prozesse über Landesgrenzen hinweg, allerdings stagniert die Innovation. Als wünschenswertes Zielbild stellte Hensen das vierte Szenario vor: „Pan-European Open Finance Ecosystem“. Es beschreibt einen stark vernetzten Finanzraum, in dem Banken und Drittanbieter europaweit kollaborieren. In dieser Welt werden „eingebettete Lösungen“ Teil des Alltags – etwa durch nahtlose Finanzservices innerhalb von Plattformen, Apps oder Alltagsgeräten.
Diskussion zu den Szenarien: Was wird kommen – und wer wird profitieren?
In der anschließenden Diskussion zeigten die Teilnehmenden eine nüchtern-pragmatische Haltung gegenüber den vorgestellten Szenarien. Zwar wurde ein pan-europäisches Open-Finance-Ökosystem von vielen als visionäres Zielbild begrüßt, doch überwog die Skepsis hinsichtlich seiner tatsächlichen Umsetzbarkeit. „Ich denke, das vierte Szenario ist zu komplex, um es wirklich zu realisieren“, äußerte eine Teilnehmerin und verwies auf die enormen Ressourcen, die dafür notwendig wären, sowohl finanziell als auch organisatorisch. Als realistischste Perspektive wurde mehrheitlich das dritte Szenario, „Harmonized Standards“, eingeschätzt.
Was passiert, wenn Banken zunehmend zu bloßen Datenlieferanten werden und andere Akteure die Kundenschnittstelle besetzen? Ein Teilnehmer warnte eindringlich: „Neue, vorausschauende Player könnten verfügbare Daten nutzen, um mit hochgradig personalisierten, intuitiven Angeboten enorme Vorsprünge in der Kundenbeziehung aufzubauen – mit exzellenter User Experience.“
Ein weiterer Diskussionsbeitrag rückte eine zentrale Herausforderung in den Fokus: den Fachkräftemangel. „Die Talentlücken könnten sich bei einer passiven Haltung der Banken weiter vergrößern, insbesondere, was deren Fähigkeit betrifft, genau die Talente zu gewinnen, die echte Innovation erst ermöglichen.“
Welche Geschäftsbereiche würden von einer Entfaltung der FiDA-Potenziale profitieren? Die Vermögensverwaltung, das KMU-Banking und IT-nahe Bereiche wurden als potenzielle Gewinner identifiziert. Traditionelle Bankgeschäfte hingegen könnten unter Druck geraten. Ein Teilnehmer brachte es auf den Punkt: „Banking wird 2030 noch viel stärker aus einer IT-Perspektive gedacht werden, deutlich mehr als heute.“
Zum Abschluss betonten mehrere Teilnehmende die Bedeutung von Mut und strategischer Weitsicht. „Deutschland und Europa brauchen entschlossene Führungspersönlichkeiten – so wie man sie gerade in anderen Regionen der Welt sieht. Leute, die Chancen erkennen, sie nutzen und wirklich was Neues schaffen.“
Interview mit Martin Damaske, COO/CFO bei AAZZUR

Foto: Martin Damaske bei Florian Schreiber, TechQuartier
Herr Damaske, was genau macht AAZZUR?
Wir sind das Frontend für Fintechs. Unsere Plattform aggregiert und orchestriert APIs von Banking-as-a-Service-, Card-as-a-Service, KYC-, Wealth, etc.-Providern über eine leistungsfähige Middleware und modulare white-lable Frontends. So ermöglichen wir etablierten Unternehmen im Sinne von Embedded Finance, Finanzprodukte zu nutzen, um ihre KPIs im Kerngeschäft zu verbessern. Mit AAZZUR können Unternehmen 4mal schneller, zu 10-20% der Kosten und ohne ein eigenes Team aufbauen zu müssen am Markt sein im Vergleich zum typischen build-it-yourself Ansatz.
Wie passt FiDA da ins Bild?
FiDA schafft die regulatorische Grundlage dafür, dass sich Banken noch stärker über APIs öffnen, und genau das eröffnet neue Spielräume für Embedded Finance, unser Kernthema. Wir setzen dort an, wo Banken ihre technischen Schnittstellen bereitstellen, und machen diese für Nutzer zugänglich. Je weiter sich das Ökosystem in diese Richtung entwickelt, desto besser für uns – und für alle, die Banking neu denken.
Wie sehen Sie die Rolle der Banken?
Viele Institute gehen die Themen Data Sharing und FiDA zu zögerlich an. Es gibt zwar positive Ausnahmen, wie etwa die Deutsche Bank mit ihrem Developer-Portal. Doch insgesamt prägt in traditionellen Banken oft eine risikoaverse Kultur das Vorgehen. Dementsprechend sehen die meisten Banken den Wandel durch FiDA noch immer weniger als strategische Chance, sondern vielmehr als regulatorische Pflicht. Dennoch wird Bewegung in den Markt kommen, sowohl durch gesetzliche Vorgaben als auch durch dynamischere Wettbewerber, die den Druck auf etablierte Akteure erhöhen.
Was hat Ihnen am heutigen Event besonders gefallen?
Der Tag war sehr inspirierend. Besonders spannend fand ich den Austausch zu den verschiedenen Szenarien rund um die Marktgestaltung und das Zusammenspiel der Akteure im Kontext von FiDA. Für uns war das extrem wertvoll, um mögliche Herausforderungen, Chancen und strategische Wege besser einschätzen zu können.
Interview mit Silke Finken, Professorin für Innovationsmanagement an der ISM International School of Management München

Foto: Silke Finken
Frau Finken, gemeinsam mit Ihren Studierenden an der ISM München haben Sie eine umfangreiche Studie zu möglichen FiDA-Use-Cases durchgeführt. Wie kam es dazu?
Die Idee entstand, weil bei FiDA derzeit vor allem technische und regulatorische Aspekte besprochen werden. Aus unserer Sicht ist jedoch die strategische Perspektive – also beispielsweise die Ausrichtung auf Zielgruppen und konkrete Use Cases – entscheidend, um die entstehenden Potenziale wirklich zu erschließen. Deshalb wollten wir gezielt die Bedürfnisse verschiedener Kundengruppen erfassen. Die Teilnehmenden haben wir über Netzwerke von Studierenden sowie durch Aufrufe in sozialen Medien gewonnen.
Wie sind Sie methodisch an das Projekt herangegangen?
Wir haben einen Mixed-Methods-Ansatz gewählt, der qualitative Design-Thinking-Interviews mit einer quantitativen Umfrage verbindet. In den Interviews standen persönliche Erfahrungen und individuelle Perspektiven auf das Thema im Vordergrund. Um tieferliegende Einstellungen sichtbar zu machen, haben wir bewusst emotionale Fragen integriert, etwa: „Wenn Geld dein Freund wäre, wie würdest du eure Beziehung beschreiben?“ Solche Perspektivwechsel liefern oft wertvolle Einblicke. Ergänzend dazu konnten wir mithilfe der quantitativen Umfrage konkrete Bedürfnisse und potenzielle Use Cases bewerten. Dabei interessierte uns zum Beispiel, für welche Zwecke die Teilnehmenden bereit wären, persönliche Daten zu teilen.
Gab es Ergebnisse, die Sie überrascht haben?
Überrascht vielleicht nicht, aber interessant war, wie stark bestimmte Themen vom Alter abhängen. Pensionsplanung und klassische Kreditfinanzierungen spielten bei Jüngeren eine geringere Rolle, was nachvollziehbar ist, da größere Anschaffungen und Altersvorsorge meist erst später relevant werden. Stattdessen standen bei der Gen Z vor allem Themen wie Transparenz, Budgetplanung und Unterstützung bei Finanzfragen im Fokus. Viele fühlen sich beim Finanzmanagement noch überfordert – eine große Chance für Banken, sich als verlässliche Partner zu positionieren und entsprechende neue Services zu entwickeln.
Wie war Ihr Eindruck vom Event heute?
Der Austausch war gewinnbringend. Mit jedem FiDA Round Table kommen wir bei den zentralen Themen ein Stück weiter. So entsteht zunehmend ein klareres Bild davon, wie FiDA im Sinne eines europäischen Finanz-Ökosystems sinnvoll und zukunftsorientiert gestaltet werden könnte. Entscheidend ist dabei der Fokus auf die Kunden und mögliche Use Cases: Wenn wir das Thema nicht strategisch betrachten, bleiben enorme Potenziale ungenutzt. Es besteht die Gefahr, dass Non-Financial-Player FiDA für ihre Customer Journeys nutzen und Banken außen vor bleiben. Umso wichtiger ist es jetzt, dass sich Banken proaktiv positionieren und klar definieren, welche Rolle sie künftig in diesem Ökosystem spielen wollen.
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