FiDA-Roundtable: „Unlocking Financial Data“ – Schemes als Basis für bahnbrechende Innovationen
Written
Mar 12, 2025
Author
Dr. Andre Gärisch

Die FiDA-Roundtable-Serie „Unlocking Financial Data“, organisiert von der Deutschen Bank in Zusammenarbeit mit dem TechQuartier, stellt die Frage: Wie lassen sich Finanzdaten vor dem Hintergrund der neuen FiDA-Verordnung der EU effizient, sicher und wertschöpfend nutzen? Expert:innen diskutieren dabei regulatorische Anforderungen, technologische Entwicklungen und innovative Geschäftsmodelle. Beim aktuellen Event am 28. Januar lag der Fokus auf der Gestaltung funktionsfähiger Schemes.
Voraussichtlich Mitte 2025 tritt die FiDA-Verordnung in Kraft, die den Austausch von Daten zwischen Akteuren der Finanz- und Versicherungsbranche liberalisiert. Eine umfassende Transformation des Finanzsektors steht somit bevor. Der Zugang zu Finanzdaten muss neu gedacht, in klare regulatorische Bahnen gelenkt und wirtschaftlich nutzbar gemacht werden. Während Banken mit PSD2 bereits erste Schritte gegangen sind, müssen sich nun auch Versicherungen, Vermögensverwalter und andere Finanzdienstleister der Herausforderung stellen, sich in einer offenen Datenökonomie zu positionieren.
In diesem Kontext wurde beim jüngsten FiDA-Roundtable die Frage aufgeworfen: Wie können wir den sicheren und effizienten Austausch von Daten gestalten? Zentrales Thema war hierbei die Entwicklung von Schemes – Regelwerken, die die Grundlage für diesen Austausch darstellen. Auf der Bühne gaben Slobodan Pantelic von der HDI Group, Alexander Kern und Torsten Jäger von BiPRO und Anh Hai Dang vom Bankenverband spannende Einblicke. In interaktiven Sessions vertieften die Teilnehmenden technische, rechtliche und wirtschaftliche Fragen rund um FiDA-Schemes. Nicola Breyer, Open-Finance-Expertin und bis vor kurzem Geschäftsführerin des FinTechs Qwist, moderierte den Event.

Einen Vorgeschmack bieten diese drei Insights:
Breiteres Bewusstsein nötig: Die FiDA-Verordnung zwingt Unternehmen zur Anpassung und bietet gleichzeitig Chancen für zusätzliche Erlöse und neue Use Cases. Trotz dieser Potenziale wird das Thema oft nur von einzelnen Mitarbeitenden im mittleren Management gepusht. Um Veränderungen entschiedener voranzutreiben, muss es jedoch auch im C-Level ankommen und eine höhere Bedeutung erlangen.
Schemes als Wegbereiter: Ab dem Inkrafttreten der FiDA-Verordnung Mitte 2025 sind Datenhalter verpflichtet, mindestens einem Scheme beizutreten. Je klarer, fairer und internationaler ein Scheme gestaltet ist, desto eher entstehen innovative Use Cases. Vielversprechende Ansätze für die Scheme-Gestaltung bieten die Beispiele von FRIDA und BiPRO.
Dateninteroperabilität als Erfolgsfaktor: Die nahtlose Verknüpfung von Finanz- und Versicherungsdaten gilt als Schlüssel zur Effizienzsteigerung. Ein einheitliches Datenmodell ist entscheidend, um regulatorische Vorgaben effizient umzusetzen und branchen- sowie länderübergreifend Potenziale auszuschöpfen.
FRIDA-Impuls: Open Insurance als Treiber für FiDA-Innovationen
Slobodan Pantelic, Area Lead Partner & Customer bei HDI und Vorstand der Open-Insurance-Initiative FRIDA, betritt als erstes die Bühne. Er betont, dass die Mission von FRIDA darin besteht, Versicherer, Vermittler und andere Akteure in einem digitalen Ökosystem zusammenzubringen, sicheren Zugang zu Daten zu ermöglichen und innovative Use Cases zu fördern. „Das rasante Wachstum der Initiative – von sieben Unternehmen im Jahr 2021 auf mittlerweile fast 80 – zeigt, dass Open Insurance zunehmend als strategische Notwendigkeit verstanden wird“, erklärt Pantelic.
Er differenziert vier mögliche Positionierungen für Datenhalter. Der „Regulatory Follower“ erfüllt lediglich die gesetzlichen Anforderungen, ohne das Potenzial offener Daten auszuschöpfen. Der „Optimist“ erkennt zwar die Möglichkeit, Kundendaten zu monetarisieren, nimmt jedoch keine tiefgehenden strukturellen Anpassungen vor. Der „Data Optimizer“ nutzt Daten gezielt zur Prozessoptimierung. „Die fortschrittlichste Position ist der ‚Active Data Leader‘, der Plattform-Geschäftsmodelle verfolgt, Daten monetarisiert und echte Kundenzentrierung schafft“, erläutert Pantelic.
Abschließend stellt er ein Modell für ein Muster-Scheme vor, das die wirtschaftlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für den Datenaustausch in der Versicherungsbranche definiert. „Es wird kostendeckend, aber nicht profitorientiert betrieben. Finanziert wird es über gestaffelte Mitgliedsbeiträge.“ Ein technisches Lead-Team verwaltet die API-Spezifikationen, Dokumentationen und Versionierung. Die Entscheidungsfindung erfolgt über ein Member Board mit fairer Stimmgewichtung. Ein Observatory Board, das aus Institutionen wie der BaFin, dem Verbraucherschutz und weiteren relevanten öffentlichen Stellen besteht, übernimmt eine überwachende Funktion.

BiPRO als Vorreiter: Standards für sicheren und effizienten Datenaustausch
Das unabhängige Brancheninstitut für Prozessoptimierung – BiPRO e.V. – entwickelt Standards für den Datenaustausch in der Finanz- und Versicherungsbranche. „Unser Ziel ist es, die digitale Kommunikation zu vereinheitlichen und die Prozesse zwischen den Marktteilnehmern zu vereinfachen“, erklärt Alexander Kern, Head of Business Development bei der BiPRO Service GmbH.
Aktuell liegt der Fokus auf der Entwicklung eines FiDA-Schemes. „Wir möchten ein interoperables, standardisiertes Modell schaffen, das den sicheren und effizienten Austausch von Daten ermöglicht“, so Kern. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die FiDA-Scheme Policy Commission ins Leben gerufen. Sie vereint mittlerweile über 140 Vertreter aus der Branche – darunter Versicherer, Finanzdienstleister und Expert:innen aus den Bereichen Datenmanagement und Digitalisierung. Bei der Zusammenstellung der Kommission liegt der Fokus auf deutschen Playern; dennoch ist man offen für internationale Partnerschaften: „Wir haben bereits erste Gespräche mit österreichischen Interessenten geführt“, berichtet Kern.
BiPRO kann bei der Entwicklung des FiDA-Schemes auf wertvolle Ressourcen zurückgreifen: „Seit Jahren arbeiten wir mit standardisierten Schnittstellen, die Versicherer, Vermittler und Dienstleister vernetzen. Unser umfangreiches Normgefüge, das unter anderem die Bereiche ‚Suche‘, ‚Bestand‘ und ‚Tarifierung‘ umfasst, verschafft uns entscheidende Vorteile bei der Erfüllung der FiDA-Anforderungen“, betont Torsten Jäger, Bereichsleitung Projektmanagement & Betrieb bei BiPRO e.V.
Darüber hinaus profitieren die Netzwerkpartner von dem neuen BiPRO-Hub – einer Cloud-basierten Infrastruktur, die den Bedarf an zahlreichen individuellen Schnittstellen überflüssig macht. „In Zukunft müssen sich Unternehmen nur noch einmal anbinden – vom Hub aus erfolgt die zentrale Übermittlung der Daten“, erklärt Jäger. Diese Lösung sorgt nicht nur für eine datenschutzkonforme Verteilung der Informationen, sondern hilft auch, Kosten zu senken und den Time-to-Market-Prozess zu beschleunigen.

giroAPI: Maßstab für die Entwicklung von FiDA-Schemes?
Anschließend stellt Anh Hai Dang, Associate Banking Technology and Security beim Bankenverband, die giroAPI als möglichen Ansatzpunkt für die Gestaltung eines FiDA-Schemes vor. Das giroAPI-Scheme wurde am 1. Januar 2025 von den Verbänden der Deutschen Kreditwirtschaft eingeführt. Es baut auf den API-Standards der Berlin Group auf und geht über die regulatorischen Anforderungen der PSD2-Richtlinie hinaus. Die Berlin Group ist eine europäische Initiative, die Standardisierungen im Open Banking entwickelt, um die Interoperabilität zwischen Banken, Zahlungsdienstleistern und anderen Finanzakteuren zu gewährleisten.
Die Giro API zeichnet sich durch eine schlanke Aufbaustruktur aus und ermöglicht es Drittdienstleistern, Zahlungen kundenfreundlicher zu gestalten und Kontoinformationen gezielt abzurufen. Sie umfasst Sub-Schemes wie „Payment“, „Financial Information“ und das für 2026 geplante „Request to Pay“, was eine hohe Anpassungsfähigkeit an verschiedene Anforderungen ermöglicht. „Das Sub-Scheme ‚Financial Information‘ deckt die FiDA-Datenkategorien ‚Konten‘ ‚Kredite‘ und ‚Spareinlagen‘ bereits ab und bildet somit eine gute Grundlage für ein FiDA-Modell“, sagt Dang.
Er betont jedoch, dass FiDA eine regulatorische Einbettung erfordert, im Gegensatz zur privatwirtschaftlich initiierten giroAPI. Dies bedeutet, dass bei FiDA eine gleichberechtigte Einbindung von Datennutzern, Datenhaltern und Verbraucherorganisationen notwendig ist. Dennoch könnten bewährte Prinzipien der giroAPI übernommen werden, wie etwa die strikte Trennung von Governance, Spezifikation und Standardisierung sowie die Nutzung etablierter technischer Normen wie DIN, ISO und OAuth2.
Interaktive Ideenentwicklung: Gestaltung und Aufgaben von FiDA-Schemes
Während der interaktiven Sessions zwischen den Vorträgen sammelten die Teilnehmenden auf Flipcharts ihre Ideen zur Gestaltung und Umsetzung von Schemes. Alle waren sich einig: Kollaborativ entwickelte Schemes bieten den Branchenakteuren erhebliche Effizienzsteigerungen und stärken das Vertrauen in die entstehenden Datentransaktionen. Ein durchdachtes Design trägt außerdem dazu bei, spannende Use Cases sichtbar zu machen, wie eine Teilnehmerin anmerkte. Einigkeit bestand auch darin, dass das Agieren als unabhängige Institution sinnvoll ist, etwa in Form eines Vereins.
Bei der Gestaltung der Schemes nannten die Teilnehmenden Erfolgsfaktoren wie einen übersichtlichen Aufbau, gerechte Kompensationsmodelle und eine Governance-Struktur, die einerseits Sicherheit bietet und andererseits Raum für Innovation lässt. „Ein einfaches Onboarding ist entscheidend, um den Einstieg neuer Akteure zu erleichtern“, ergänzte ein Teilnehmer. Als große Herausforderung bei der Entwicklung branchenübergreifender und internationaler Schemes wurde die Interoperabilität identifiziert. Eine Teilnehmerin regte an, einen europäischen FiDA-Roundtable ins Leben zu rufen und KI zur Vereinheitlichung der Datenvielfalt zu nutzen.

Nicola Breyer
Drei Fragen an: Nicola Breyer, Open-Finance-Expertin & Moderatorin des Events
Nicola, wie wichtig sind Events wie dieses, um das FiDA-Ökosystem weiter voranzubringen?
Solche Events sind sehr wichtig. Das TechQuartier übernimmt hier eine zentrale Rolle als neutrale Plattform, die die Brücke schlägt zwischen der traditionellen Finanzwelt und der Tech-Branche. Das große Interesse an solchen Veranstaltungen zeigt, dass diese Herausforderungen kein einzelnes Unternehmen oder eine ganze Branche allein meistern kann. Es geht nicht nur um die regulatorischen Anforderungen, sondern auch um neue Chancen und Risiken, die sich für Geschäftsmodelle ergeben, mit denen alle Marktteilnehmer Geld verdienen können. Der offene Austausch und das Vertrauen zwischen den Beteiligten sind dabei entscheidend. Genau deshalb setze ich mich für das Thema ein und möchte dazu beitragen, es weiter voranzutreiben.
Gibt es Unternehmen oder Branchen, die sich dem Thema gegenüber besonders aufgeschlossen zeigen?
Ich denke, es geht weniger um Branchen als vielmehr um eine Frage des Mindsets. Durch die Entwicklung von Open Banking haben viele Mitarbeitende in Banken schon erkannt, welche Chancen es potentiell gibt, wenn wir den Wert von Daten realiseren können – weil sie direkt an Veränderungsprozessen mitgearbeitet haben. Was noch fehlt, sind mehr Champions für diese Themen auf Führungsebene, auch weil das Thema nicht konkret einem Bereich zugeordnet werden kann. Ich hoffe, dass das Thema auch dort die nötige Aufmerksamkeit bekommt – ohne die Haltung: „Es gibt Themen, die gerade jetzt brennen, wieso sollte ich mich jetzt schon mit etwas beschäftigen, das potentiell regulatorisch erst später in Kraft tritt?“ Es braucht ein Umdenken hin zu neuen Einkommensströmen und konkreten Prozesseffizienzen auf Datenbasis, auch wenn viele Unternehmen momentan unter starkem Kostendruck stehen und vor der Komplexität des Themas Respekt haben.
Welches Learning hat dich heute besonders überrascht?
Ich war erstaunt, wie weit die Versicherungsbranche beim Thema Datenstandards und Datenaustausch schon ist. Es gab immer das Vorurteil, dass Versicherungen in diesem Bereich hinterherhinken – aber das scheint nicht der Fall zu sein. Trotzdem muss man sagen, dass noch immer zu viele Unternehmen den Wert ihrer eigenen Daten für neue Geschäftsmodelle oder Effizienzsteigerungen nicht erkannt haben. Hier steckt riesiges Potenzial, das in den Köpfen der Entscheider:innen noch stärker ankommen muss.
Schnelle Fragen an: Joris Hensen, Founder und Co-Lead des Deutsche Bank API-Programms und Initiator der Round-Table-Serie „Unlocking Financial Data“
Joris, was hat dich dazu inspiriert, die Reihe „Unlocking Financial Data“ ins Leben zu rufen, und was ist neben Events wie diesen entscheidend, um das Thema FiDA-Schemes weiter voranzutreiben?
Die Initialzündung war unser API-Programm bei der Deutschen Bank. Wir haben von Anfang an intensiv mit externen Partnern gesprochen, um ihre Bedürfnisse zu verstehen – sei es bei Onboarding-Prozessen oder den benötigten Daten. Dabei haben wir viel über den Wert von Austausch und Vernetzung gelernt. FiDA ist komplex, aber es lebt vom Miteinander im Ökosystem, um sinnvolle Produkte für Kund:innen zu entwickeln. Zur zweiten Frage: Abseits von Events ist es entscheidend, dass Unternehmen sich intern auf das Thema vorbereiten. Es geht darum, APIs zu pushen, denn Daten, die über APIs verfügbar sind, können später in Schemes genutzt werden. Auch in den Produktabteilungen muss Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit Produktentscheider:innen verstehen, wie FiDA ihre Produkte mit neuen Daten verbessern kann.
Warum ist es so wichtig, beim Thema Schemes gemeinsam voranzukommen?
Zum einen sind Datenhalter verpflichtet, sich innerhalb von 18 bis 24 Monaten nach Inkrafttreten der EU-Verordnung mindestens einem Scheme anzuschließen. Zum anderen sorgen Schemes für eine standardisierte, effiziente und sichere Datenübermittlung – idealerweise länderübergreifend. Sie definieren, welche Daten in welchem Format bereitgestellt werden, um eine reibungslose Nutzung durch verschiedene Akteure zu ermöglichen. Dadurch entstehen neue Use Cases für Start-ups und etablierte Unternehmen, etwa durch KI-gestützte Analysen oder innovative Finanzprodukte. Ein zentrales Thema der kommenden Monate wird sein, diese Potenziale gezielt zu identifizieren und in konkrete Geschäftsmodelle zu überführen.
Was hat dich heute am meisten beeindruckt?
Mich hat die Vielfalt der Teilnehmer:innen beeindruckt: Menschen aus Österreich, Deutschland und Luxemburg, aus der Finanz- und Versicherungsbranche, haben sich hier aktiv eingebracht. Die Diskussionen waren voller Energie, und der Tag verging wie im Flug. Es war auch spannend zu sehen, wie viel Komplexität in diesem Thema steckt und wie viele Fragen noch offen sind. Das hat mir wieder gezeigt, wie wichtig es ist, den Austausch kontinuierlich fortzusetzen, um weiterzukommen.
>> Learn more about TechQuartier's FiDA Rountables and watch for the third in the series.