Shaping the Future of Open Finance: Die FIDA Data Studios

Written

Oct 17, 2025

Author

Dr. Andre Gärisch

Auf dem Fotos: Bernd Leukert, Chief Technology, Data and Innovation Officer der Deutschen Bank.

Seit Monaten hatte die Roundtable-Serie „Unlocking Financial Data“ im TechQuartier den Boden bereitet: Über 120 Stakeholder aus Banken, Versicherungen, Start-ups und Regulierung entwickelten dort ein gemeinsames Verständnis über Chancen und Herausforderungen der neuen europäischen Financial Data Access Regulation (FIDA). Am 29. September folgte der entscheidende Schritt: TechQuartier und Deutsche Bank luden ins EintrachtLab zu den FIDA Data Studios. Das Ziel: konkrete Anwendungsfälle, Geschäftsmodelle und strategische Wege entwickeln.

Der Tag begann ungewöhnlich: Die Teilnehmenden wurden am TechQuartier vom Mannschaftsbus von Eintracht Frankfurt abgeholt und zum Deutsche Bank Park gefahren. In der IoT-Garage des EintrachtLabs erwartete sie eine Mischung aus Industrieästhetik, Robotics-Exponaten wie dem autonom fahrenden EDAG CityBot und großflächigen Visuals smarter Stadionlösungen. Die Location machte deutlich: FIDA ist mehr als Regulierung, es verlangt technische und organisatorische Neugestaltung.

Zwischen Technik-Showcase und Gesprächsinseln entwickelten die Teilnehmenden an fünf Topic Tables, in einem Gallery Walk und bei zwei Live-Pitches inspirierende Ideen. Pausen wurden für hitzige Tischkickerduelle, spontane 1:1-Debatten und intensives Netzwerken genutzt.

Drei Insights des Tages:

  1. Künstliche Intelligenz als Gamechanger: Hybride, KI-gestützte Beratung wird die Erwartungen der Kund:innen grundlegend verändern. Sie unterstützt Berater:innen bei Analyse, Empfehlungen und Entscheidungsprozessen und bietet Kund:innen leicht zugängliche, personalisierte Services. Im Idealfall entsteht ein durchgängiges, exzellentes Nutzererlebnis.

  2. Use Cases als Kompass: FIDA eröffnet die Chance, Kundennutzen und Business Value zu steigern. Besonders erfolgversprechend sind Anwendungen wie Investment Recommendations oder der 360° Strategic Advisor, die beide Dimensionen verbinden. Entscheidend ist bei der Use-Case-Identifizierung ein ganzheitlicher Ansatz: bestehende Produkte verbessern, interne Prozesse effizienter gestalten und neue Angebote entwickeln.

  3. Strategische Wahl: Unternehmen müssen sich entscheiden, ob sie Mitläufer bleiben oder die Spielregeln aktiv mitgestalten. Wer jetzt handelt, kann eine führende Rolle in der europäischen Datenökonomie übernehmen. Da FIDA noch nicht endgültig beschlossen ist, haben viele Akteure das volle Potenzial noch nicht erkannt und agieren noch zurückhaltend. 

Auf dem Foto: Eva Schötz, FRIDA - Free Insurance Data Initiative

Die fünf Topic Tables – Werkstätten für Europas Datenökonomie

  1. Open Finance: Vom Buzzword zum Turbo für Beratung

Am Open-Finance-Tisch zeigte das Start-up Xaver, was mit offener Datennutzung schon heute möglich ist, speziell im Bereich Altersvorsorge. Digitale Co-Piloten unterstützen Vertriebsteams, Chat- und Voice-Bots interagieren direkt mit Endkund:innen, automatisierte Abschlussstrecken ermöglichen hochgradig personalisierte Prozesse. So werden Effizienzsteigerungen von bis zu 65 Prozent erreicht.

 Die Diskutant:innen waren sich einig: Da FIDA weit über PSD2 hinausgeht, eröffnen sich etliche neue Anwendungsfälle, etwa im Cross-Selling. Gleichzeitig spiegelt ein Satz das aktuelle Mindset vieler Banken gegenüber FIDA treffend wider: „Wir machen es nicht, um zu gewinnen, sondern um nicht zu verlieren.“

  1. Insurance: Ohne Consent keine Zukunft

„Consent is King.“ Dieser Satz prägte die Versicherungsrunde. Denn solange Kund:innen der Datenfreigabe nicht zustimmen, bleibt jede API-Lösung ein Papiertiger. Umso wichtiger ist es, Use Cases mit eindeutigem Mehrwert für Kund:innen zu konzipieren. Gefordert wurden außerdem eine IT- und Prozessanalyse noch im vierten Quartal 2025 sowie gemeinsame Standards für Produkt- und Datenkategorien.

Ein zentrales Learning: Die FIDA-Pflichten sind zugleich Zwang und Chance. Wer sie erfüllt, modernisiert seine IT – und stößt dabei fast automatisch auf neue Geschäftsfelder, vom Reinvestment-Management über Policy-Anpassungen bis hin zu umfassenden Kundenanalysen.

  1. Künstliche Intelligenz: Der Berater bekommt einen Co-Piloten

Am KI-Tisch diskutierten die Teilnehmenden, wie Künstliche Intelligenz entlasten kann, etwa durch weniger Formulararbeit, präzisere Informationen und den Abbau mentaler Barrieren bei sensiblen Themen wie Krediten. Gerade hier empfinden viele den direkten Kontakt mit dem Kundenberater als unangenehm, während KI den Einstieg erleichtert.

 Gleichzeitig war die Runde kritisch: KI darf nicht zu agreeable sein und falsche Zusagen implizieren. „Human-in-the-Loop“ wurde als notwendiges Übergangsmodell gesehen. Die beratenden Personen bleiben Entscheidungsträger:innen, während KI Geschwindigkeit und Tiefe liefert.

  1. Infrastruktur: Europäisches Zusammenspiel oder nationale Inseln?

Vier FIDA-Zukunftsszenarien standen an diesem Tisch zur Debatte, von einem reinen Compliance-Mindset auf national fragmentierter Ebene bis hin zu einem paneuropäischen Open-Finance-Ökosystem. Gewünscht wurden vor allem gemeinsame Standards und Interoperabilität. Vorangetrieben werden kann dies jedoch nur durch baldige rechtliche Klarheit.

Schemes bilden, so die einstimmige Meinung der Runde, das Rückgrat einer stabilen Entwicklung. Ohne koordinierte Abstimmung drohen allerdings zahlreiche nationale Schemes, die teuer, fragmentiert und ineffizient sind und die Ausschöpfung von Use Cases erschweren.

  1. Strategie: Wer mitgestaltet, setzt die Spielregeln

Welche Position wollen Unternehmen im entstehenden Ökosystem einnehmen? An diesem Tisch wurden vier Archetypen diskutiert: Der Regulatory Follower agiert ausschließlich als Datenhalter und erfüllt nur die Mindestanforderungen. Der Cautious Complier hält sich zwar an die Vorschriften, versucht dabei aber auch, Einfluss auf die Ergebnisse zu nehmen. Der Value Optimiser nutzt die Daten gezielt, um Compliance sicherzustellen und gleichzeitig wirtschaftlichen Mehrwert zu generieren. Der Ecosystem Leader geht noch einen Schritt weiter und agiert aktiv sowohl als Datenhalter als auch als Datennutzer, um die Wertschöpfung zu maximieren. Wer zu den ersten beiden Kategorien gehört, riskiert den Anschluss.

FIDA zwingt viele Häuser zu Investitionen im zweistelligen Millionenbereich. Die Analyse von mehr als 50 Use Cases zeigt jedoch, dass wirtschaftlicher Mehrwert möglich ist, wenn Kundennutzen und Business Value konsequent miteinander verknüpft werden. Besonders aussichtsreich erweisen sich dabei die Investment Recommendations und der 360° Strategic Advisor.

Bilder als Kommunikationsanker

Illustrator Daniel Jennewein (auf dem Foto) hielt die Gespräche an den Tischen visuell fest. Entstanden sind dabei Bilder von Bankberatern im Superman-Kostüm, gestärkt durch Daten und KI, von Samen, die zu neuen Geschäftsmodellen heranwachsen, von einzelnen Inseln für fragmentierte Lösungen und von einer großen europäischen Insel als Idealbild.

 Diese Darstellungen gaben den Teilnehmenden einprägsame Anker für ihre interne Kommunikation. Auch beim Gallery Walk mit Executives warf der eine oder andere einen Blick auf die Visualisierungen, um sich schnell ein Verständnis zu verschaffen. 

Zwei Pitches, die Zukunft greifbar machten

Neben den Topic Tables wurden auf der Bühne spannende Use Cases vorgestellt. Dr. Christian Reichmayr, Managing Director & CPO fino digital, präsentierte die digitale Selbstauskunft 2.0. Nach Einwilligung der Kund:innen werden Daten aus bestehenden Verträgen, Konten und weiteren Quellen automatisch aggregiert, standardisiert und zu über 80 Prozent korrekt identifiziert. So können statt 30 bis 90 Minuten manueller Bearbeitung pro Antrag Kreditübersichten in Sekundenschnelle erstellt werden. „Die Datenqualität steigt erheblich und der Aufwand reduziert sich drastisch“, erklärte Reichmayr.

Eva Schötz, Partner Manager bei der branchenübergreifenden Initiative FRIDA, zeigte, wie ein Versicherungswechsel künftig ablaufen könnte: API aufrufen, Datenfreigabe erteilen, Vertragsdetails digital übertragen – fertig. Kund:innen können so alle relevanten Vertragsinformationen übernehmen, ohne Formulare ausfüllen oder Unterlagen drucken zu müssen. „Die Zukunft ist jetzt und Sie sind der Schlüssel für eine vielversprechende Zukunft“, ermutigte Schötz das Publikum.

Keynote von Deutsche-Bank-CTO Bernd Leukert: Leadership statt Pflichtübung

Ein Höhepunkt am Abend war die Keynote von Bernd Leukert, Chief Technology, Data and Innovation Officer der Deutschen Bank. Er hob hervor, dass die Deutsche Bank mit ihrem API-Programm seit Jahren eine Vorreiterrolle im Open Banking einnimmt. Nun gehe es darum, gemeinsam mit Partnern in ganz Europa die Chancen von FIDA zu ergreifen.

„FIDA ist keine Regulierung, die man einfach abhakt. Wir müssen die Chancen, die sich daraus ergeben, gemeinsam nutzen und Europas Datenökonomie aktiv mitgestalten.“
 – Bernd Leukert, Deutsche Bank 

Frankfurt als Ausgangspunkt eines wegweisenden europäischen Projekts

Mit klaren Learnings, inspirierenden Use Cases und spürbarem Pioniergeist setzten die FIDA Data Studios ein deutliches Zeichen für die offene europäische Datenökonomie. Die Abschlussworte von Alice Rettig, Geschäftsführerin des TechQuartiers, brachten es auf den Punkt: „Was wir heute an Energie und Engagement erlebt haben, zeigt eindrucksvoll, dass Frankfurt der Ausgangspunkt für die Zukunft von Open Finance in Europa sein kann.“ Damit wurde das Versprechen eingelöst: Frankfurt, das TechQuartier und die Deutsche Bank sind gemeinsam mit weiteren vom Potenzial von FIDA überzeugten Akteuren nicht nur gefolgt, sondern aktiv vorangegangen. 

Interview mit Dr. Christian Reichmayr / Managing Director & CPO fino digital / Table Captain „Open Finance“

Herr Reichmayr, welche Erkenntnis hat Sie heute überrascht?

Überrascht hat mich, dass die Diskussionen in den Häusern bisher vor allem auf Compliance-Ebene geführt werden. Betriebswirtschaftliche Abwägungen und praktische Umsetzungsschritte fehlen oft. Natürlich bezieht sich dieser Eindruck nur auf die heutigen Gespräche, aber er zeigt, dass FIDA-Themen offenbar noch nicht vollständig in die strategische Unternehmensplanung integriert sind.

Trifft die Annahme zu, dass Deutschland bei FIDA eher zurückhaltend ist, weil die hiesige Kultur tendenziell Risiken scheut?

Nicht unbedingt. FIDA ist einfach eine extrem breit gefasste regulatorische Änderung. Die einhergehende Komplexität erzeugt Unsicherheit in den Unternehmen. Zudem gab es während der politischen Abstimmungs- und Konsultationsphase vor rund einem Jahr eine Unterbrechung, was dem Thema nicht geholfen hat. Ich hoffe, dass die Verhandlungen bald abgeschlossen werden und der politische Prozess zu einer klaren, schlüssigen Entscheidung führt. Das wäre ein wichtiges Signal für die Branche.

Welche Rolle spielt die interne Vermarktung von FIDA im Unternehmen?

Bewusstsein zu schaffen ist zentral: Unternehmen müssen verstehen, welche Mehrwerte FIDA bietet. Technologische Fragen über die reine Compliance hinaus treten erst dann in den Vordergrund, wenn Potenziale und Chancen klar kommuniziert und erkannt wurden. Die interne Kommunikation und ein positiver Zugang zu FIDA sind derzeit die wichtigsten Aufgaben.

Welche Tipps würden Sie geben, um FIDA im eigenen Unternehmen erfolgreich zu platzieren und voranzutreiben?

Drei Punkte sind entscheidend: Erstens, FIDA als Chance und nicht nur als Compliance-Projekt sehen – das verändert Einstellung und Motivation. Zweitens, nicht auf FIDA warten: Open Banking bietet bereits heute Möglichkeiten, aktiv zu werden. Drittens, mit schlanken, wenig komplexen Use Cases starten, wie zum Beispiel der digitalen Selbstauskunft. So lassen sich erste Erfolge erzielen und Begeisterung wecken.

Interview mit Dr. Timo Biskop / Strategy Consultant bei Accenture / Table Captain „Insurance“

Timo, Wie hast du den heutigen Tag erlebt und was war dein persönliches Highlight?

Ich habe den Tag als sehr interaktiv erlebt. Ich war positiv überrascht, wie viele unterschiedliche Expert:innen vor Ort waren und wie tief die Diskussionen gingen. Die Moderation am Insurance-Table hat mir viel Freude bereitet. Es war beeindruckend zu sehen, wie offen alle miteinander gesprochen haben. Man konnte Thesen in den Raum stellen, Perspektiven austauschen und wertvolle Markt-Insights gewinnen.

Wie war es für dich, als Table Captain zu fungieren? War das Neuland für dich?

Nein, als Berater bei Accenture gehört es zu meinem Alltag, Diskussionen mit Kund:innen zu führen, sie zu moderieren und die richtigen Fragen zu stellen. Methodisch war das für mich also nichts Neues, aber natürlich sind die Inhalte immer unterschiedlich. Heute waren die Ergebnisse nuanciert und haben echten Mehrwert gebracht.

Wie hat sich die Marktsituation im Hinblick auf FIDA in den letzten Monaten verändert?

Bemerkenswert finde ich, dass viele Unternehmen – so nehme ich es zumindest wahr – inzwischen akzeptieren, dass die FIDA-Regulierung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr aufzuhalten ist. In der Folge haben sich die Aktivitäten in der Branche spürbar intensiviert. Das zeigt sich in mehr Interaktionen, intensiveren Diskussionen und einer zunehmenden Zahl an Ausschreibungen für konkrete Projekte. Wir gehen davon aus, dass mit der finalen Veröffentlichung des Gesetzes ein regelrechter Nachfragesog entstehen wird.

Gibt es einen Use Case, der für dich persönlich – also in deinem Alltag als Endkunde – besonders vorteilhaft wäre?

Ja, ich finde den Gedanken eines „Financial Home“ sehr attraktiv, weil er mehrere kleinere Use Cases sinnvoll bündelt. Auch die Idee einer 360°-Analyse finanzieller Bedarfe spricht mich an. Der Mehrwert liegt für mich in der Convenience. Wenn Finanzinstitute es schaffen, mir Aufgaben abzunehmen, mit denen ich mich ungern beschäftige, ist das bereits ein echter Gewinn.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei der Umsetzung von Use Cases?

KI kann genau dort ansetzen, wo menschliche Kapazitäten an ihre Grenzen stoßen. Voraussetzung ist allerdings, dass Unternehmen technologisch entsprechend aufgestellt sind: mit skalierbaren Systemen, belastbarer Dateninfrastruktur und geeigneten Schnittstellen. Erst wenn diese Grundlagen geschaffen sind, kann KI ihr volles Potenzial entfalten, etwa indem sie sekundenschnell aus Datenmustern präzise Erkenntnisse ableitet.

Auf dem Foto: Florian Schreiber (rechts), Alice Rettig, Nicole Nitsche, William Powell, Silke Finken, Joris Hensen

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